Text von Heinz Käsinger, Foto von Britische Schule Rom
Der Kampf um die Erhaltung unter Wasser gelegener
archäologischer Stätten in Albanien wird immer dramatischer. Hemmungslos
plündern so genannte Schatztaucher die Plätze. Albanien gilt als das letzte
große Goldland für Amphoren- und Souvenirjäger. Dabei wird aber gleichzeitig
unwiederbringliches Forschungsgut zerstört. Doch auch Schiffswracks der neueren
Geschichte geraten zunehmend in den Fokus von Plünderern. Taucher wurden aufgefordert, die Plünderung historisch
wichtiger Schiffswracks in einigen der letzten nicht mehr bewachten Gewässer im
Mittelmeer einzustellen.
Einst unter kommunistischer Herrschaft für Taucher verboten,
sind an der rund 450 Kilometer langen albanischen Küste 41 Wracks aus dem 6.
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung (v. u. Z.) bis zum Zweiten Weltkrieg
bekannt. Die Aufzeichnungen über Versenkungen lassen vermuten, dass noch 50 jüngere
Wracks aus den beiden Weltkriegen zu finden sind. Die Regierung hat jetzt einen dringenden Aufruf an Diebe und
Sporttaucher gerichtet, den letzten großen Schiffsfriedhof in europäischen
Gewässern zu verschonen.
Peter Campbell, der als stellvertretender Direktor an der
Britischen Schule in Rom tätig ist und Dutzende von Tauchgängen in Albanien
durchgeführt hat, sagte: „Immer mehr Taucher kommen nach Albanien, um zu
plündern. Albanien verfügt über die besten archäologischen Tauchplätze im
Mittelmeer.“ Anderswo sind bereits bis in eine Wassertiefe von 50 Metern und
mehr alle Artefakte durch Räuber gestohlen worden. Man sieht in Albanien heute
noch die Art von Amphorenreihen, die in den 1950er Jahren beispielsweise vor
der französischen Küste auf der Suche nach Gold gesprengt wurden. Campbell sprach von einem Schiff aus dem 4. Jahrhundert u.
Z., das auf dem Weg von Nordafrika vor Albanien sank und Amphoren –
altgriechische oder römische Krüge – mit sich führte, die teilweise bis zu 1,5
Meter hoch waren. Er tauchte erstmals 2010 zu dem Wrack: „Jedes Mal, wenn ich
heute dort tauche, sehe ich, dass mehr Amphoren verschwunden sind“, sagte er.
Auron Tare, Leiter des albanischen Zentrums für
Meeresforschung und Leiter eines Unesco-Ausschusses für Unterwasser-Erbe, sagte
der Times: „Uns fehlen die Arbeitskräfte und die Ausrüstung, um die
Plünderungen zu stoppen, obwohl wir im Juni ein Gesetz verabschiedet haben, um
dagegen vorzugehen. Wir wollen, dass die Menschen zum Vergnügen tauchen, ohne
etwas mitzunehmen.“ Fast 30 Jahre nachdem der kommunistische Diktator Envar
Hodscha damit gedroht hat, Taucher zu erschießen, werden albanische Restaurants
mit geplünderten Amphoren dekoriert. Die Glocke der österreichisch-ungarischen
„SS Linz“, die 1918 vor Albanien auf eine Mine lief, befindet sich in einem
Privatmuseum in Österreich. Zwei Wracks aus dem 20. Jahrhundert, der
ungarisch-kroatische Dampfer „Pozsony“ und das italienische Medizinschiff „Po“,
wurden nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP von allem Metall befreit, was
darauf hindeutet, dass Plünderer auf der Suche nach Metallschrott waren.
„Sie greifen zuerst nach Kupfer und Bronze, und das ist ein
Muster, das wir auf der ganzen Welt sehen“, sagte Andrew Brockman, ein
Archäologe und Experte für Meereskriminalität. „Zwanzig Kriegsschiffe, die in
der Javasee versenkt wurden, darunter auch britische Schiffe, sind in den
letzten zehn Jahren erheblich beschädigt worden“, klagt Brockmann und fügt
hinzu: „Doch so weit braucht man nicht zu gehen. Drei Viertel der Schiffe, die
1916 in der Schlacht von Jütland zwischen Großbritannien und Deutschland
versenkt wurden, sind durch die Plünderer regelrecht zerstört worden.“ Stahl
von Schiffen, die vor Beginn der Atomtests Mitte des 20. Jahrhunderts gebaut
wurden und sanken, wird von wissenschaftlichen Institutionen sehr geschätzt,
weil er keine Kontamination aufweist. Solcher Stahl wird vorwiegend in Geräten
zur Detektion von Strahlung verbaut. Aber Brockman meint: „Wissenschaftler
erwerben normalerweise Material aus legitimen Quelle. Die kaufen keine alten
Anker von Leuten, die in einem Lastwagen auf dem Hof einer Uni auftauchen.“
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