Der siebte Tag meiner Reise war der bislang interessanteste.
Wir haben unter der fachkundigen Führung von Karl Jenke Havanna erkundet.
Zuerst ging es zu den Toten auf den Cimiterio Colòn, den Kolumbusfriedhof. Rund
1 Mio. Tote liegen hier und es gibt einige skurrile Geschichten rund um Gräber
und Tote zu erzählen. Beispielsweise gibt es einen Streit zwischen einer
reichen Zuckerrohrfamilie und der Feuerwehr von Havanna, wer das höchste Grabmal
auf dem Friedhof hat. Ein deutscher Jude hat sich gar in sein Mausoleum einen
Fahrstuhl einbauen lassen. Gegenüber dem Sammelgrabmal der Revolutionäre um
Fidel Castro und Che Guevara ruht Theophilo Stevenson, der legendäre cubanische
Schwergewichtsboxer. Es gibt einen Engel mit Baseballschläger und eine
wundertätige Mutter. Das Havanna der Lebenden ist durch die vielen durch die
Stadt cruisenden Oldtimer geprägt. An diesem Samstag waren sie besonders
zahlreich unterwegs und fuhren Touristen aus aller Welt parademäßig unter
anderem durch den Stadtwald, die grüne Lunge der Metropole. Ein beliebter
Anlaufplatz für die alten Amikisten (viele davon, so auch unser Oldtimer, den
Karl extra für uns gemietet hatte laufen heute übrigens mit asiatischen Dieselmotoren)
ist auch die Aussichtsplattform bei der Hafenfestung. Von hier aus hat man
einen grandiosen Blick auf Havanna. Kein Wunder, dass hier der wohl beliebteste
Revolutionär um Fidel Castro, Che Guevara, eine Villa bezog, an der heute eine
Art Leuchtreklame mit seiner Unterschrift angebracht ist. Die Revoluzzer
wussten halt zu Leben!
Oder die Oldtimer brachten die Touris hinaus in den
Fischerort Cojimar, wo Hemingway zuerst zu angeln pflegte, um seine erbeuteten
Haie, Marline und Barrakudas in der Bar/Restaurant „La Terrazza“ mit
zahlreichen Mojitos zu begießen. Hemingways Stammplatz in einer hellen,
luftigen Ecke, wird übrigens als symbolische Geste noch immer ständig für ihn
freigehalten.
Schließlich besichtigten wir seine Villa, die inmitten eines
wunderbaren tropischen Gartens liegt. Er verließ die Villa 1961, kurz vor
seinem Suizid, so, als käme er in wenigen Tagen wieder zurück. Da hatte er aber
schon längst verfügt, dass der kubanische Staat sein Anwesen erben sollte. Für
einen wie mich, der sich selbst am Schreiben von Büchern abmüht, ist es sehr
beeindruckend zu sehen, wo und wie er geschrieben hat. Nämlich in einem kargen
Turmzimmer auf einer winzigen Reiseschreibmaschine. Ach noch was, was mir
Hemingway etwas sympathischer gemacht hat: Er hatte, wie viele großen
Schriftsteller, auch der Neuzeit, Gewichtsprobleme. Jeden Tag wog er sich in
seinem Badezimmer und schrieb sein Gewicht mit Kugelschreiber direkt auf die
gekalkte Wand.
Schließlich landeten wir in der „Bodega de la Media“, wo er
sich regelmäßig mit zahlreichen Mojitos nicht betrank sondern regelrecht
besoff. Natürlich tranken wir auch einen Mojito auf das Andenken des alten
Schwerenöters. Als Karl mich schließlich in meine private Unterkunft zurück
brachte, krachten die Brecher über die Mauer die die Hafenstraße befestigt.
Apropos Unterkunft: Ich wohne hier bei Carmita und Carlos
Jomarrón, zwei netten Leutchen, die ein Zimmer privat an Touristen
vermieten. Mit Familienanschluss, sozusagen. Die beiden sind unheimlich nett
und lesen mir jeden Wunsch von den Augen ab. Man muss halt etwas Rücksicht
nehmen, denn die Wohnung ist relativ eng. Aber alles ist picobello sauber. Sehr
empfehlenswert, denn man bekommt in so einer Casa Particular einen
ungeschminkten Einblick in die Lebensweise der Habaneros. Heinz Käsinger
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