Die renommierte Uhrenzeitschrift „Chronos“ widmet sich in
ihrer aktuellen Ausgabe (Heft Februar/März 2016) auf 50 Seiten dem Thema
Taucheruhren. ATLANTIS-Chef Heinz Käsinger hat sich das Heft gekauft und
nachgesehen, ob das Special was taucht.
Das Chronos-Magazin ist dem Uhrenliebhaber was ATLANTIS dem Taucher: Eine Zeitschrift, die viel Information bietet, die unterhält und die
nicht zuletzt Träume weckt. Alle drei dieser Charakterzüge vereint auch das Special
„Taucheruhren“ der Februar-März Ausgabe 2016.
Nach einem allgemeinen Heftteil auf den ersten 30 Seiten (Editorial,
Inhalt, Anzeigen, Neuvorstellungen) beginnt endlich der Taucherteil. Immerhin
mit einem tollen Aufmacherbild, das einen Apnoetaucher in einem Rotmeerriff zeigt.
Titel des Specials: Tiefenrausch. Das hört sich doch schon mal spannend an.
Es folgt ein Artikel über die Neuchâteler Marke Panerai, die
in den 1930er bis 1960er Jahren des letzten Jahrhunderts Kultstatus erlangte
als Ausrüster der italienischen Marinetaucher. Im Test befand sich ein Modell
Luminor, das Kenner sofort an dem charakteristischen Kronenschutzbügel
erkennen, der dieser Marke eigen ist. Allerdings handelt es sich bei der
getesteten Panerai um einen Chronographen. Das heißt, die Uhr verfügt
zusätzlich zur Krone noch über zwei Druckknöpfe zur Bedienung der Stopfunktion.
Der Bügel dürfte also lediglich gestalterischen Wert haben. Indes: Der Bericht
in Chronos ist gut, da gibt es nichts.
Die Folgeseiten gehen auf Rekordjagd. Jeweils auf einer Doppelseite
werden Uhrenmodelle vorgestellt, die bis 1000, 2000, 3000, 4000, 5000, 6000 ja
12000 Meter Wassertiefe dicht sind. Wer hier glaubt, dass je tiefe desto teurer
bedeutet, der irrt.
Beispielsweise ist die bis minus 5000 Meter taugliche Sinn
aus U-Bootstahl mit nur 1845 Euro Preis deutlich günstiger als die 500 Fathoms
von Blancpain. Die kostet bescheidene 22860 Euro und ist nur bis 1000 Meter
dicht. Ob 1000 oder 12000 Meter Tauchtiefe, in dieser interessanten Aufstellung
finden wir Taucher all die Marken wieder, die wir kennen, die wir besitzen oder
von denen wir träumen: beispielsweise die Doxa (-1000 m/2890 Euro) mit dem
orangefarbenen Zifferblatt und dem geflochtenen Metallband. Diese Uhr machte
Jacques Cousteau bekannt, der sie benutzte und nicht zuletzt auch Clive
Cusslers Romanheld Dirk Pit schwor auf sie und tut es noch heute. Oder die
gewaltige Omega Seamaster PloProf (-1200 m/10400 Euro). Diese Uhr ist 55
Millimeter breit und 17,5 Millimeter hoch, was bekanntlich fast zwei
Zentimetern entspricht. Kennzeichen der PloProf (das steht für Plongeur
Professionell, Berufstaucher) war der orangene Knopf, der die an sich
dauerarretierte Lunette freigab. Natürlich ist in dieser Geschichte auch die
Rolex Seadweller (-1000 m/9000 Euro) beschrieben, die legendäre Aquadive
Bathyscape (-3000 m/2590 Euro) mit dem Heliumventil und nicht zuletzt die Oceana
5000 (-5000 m/5650 Euro), eine relativ junge Uhr aus Spanien, die, hoch
interessant für eine Taucheruhr, völlig ohne Gehäusedurchführungen auskommt. Wie
man sieht, gibt es in dieser Aufzählung durchaus Traumuhren, die auch für
Normalverdiener preislich im Bereich des Machbaren liegen.
Weniger interessant war für mich eine Geschichte „Strand und
Meer“, in der es um die Vorstellung der drei üblichen Verdächtigen IWC, Rolex
und Omega (letztere besonders bekannt geworden, weil James Bond eine trägt)
ging. Aber das ist, wie gesagt, meine subjektive Meinung. Für andere Leser hat
auch dieser Artikel sicherlich seine Berechtigung.
Umso gespannter war ich auf den historischen Rückblick „90
Jahre Taucheruhren“. Ja, schon auf den ersten Blick waren alle frühen Modelle
aufgeführt: Die Rolex Oyster (Auster) mit verschraubter Krone, gedichtetem
Boden und Saphirglas von 1926. Der sah man die Taucheruhr gar nicht an. Sie
hatte noch keinen Drehring, war im Gegenteil äußerst elegant und mit ihrem
Goldgehäuse, den dünnen gebläuten Zeigern und der zart achteckigen Form gehört
sie speziell zu den Objekten meiner persönlichen Begierde. Moderne Oysters
wären schon im niedrigen 4-stelligen Bereich zu haben, die Ur-Oyster ...
1932 brachte Rolex’ ewiger Konkurrent Omega die Marine auf
den Markt. Eine ebenfalls hoch interessante Uhr und ein Design-Kunstwerk. Es
handelte sich um eine viereckige Uhr, deren Krone nicht seitlich sondern an der
hinteren Stirnseite lag. Die eigentliche Uhr wurde dann in ein
maßgeschneidertes Containerchen mit Mineralglasfenster geschoben und arretiert.
Das Armband war aus Robbenleder. In die 1930-er Jahre fällt auch die schon
erwähnte Panerai für die italienischen Kampfschwimmer (1936), die ebenfalls im
Historienrückblick gewürdigt wird. Interessantes Detail am Rand: Diese frühen
Taucheruhren waren nur bis um die 30 Meter Tiefe wasserdicht. Ausgerechnet
Omegas Modell
Marine wurde vorzeitig vom Markt genommen, weil die Handhabung so
umständlich
war und es immer wieder Probleme mit der Dichtigkeit gab. Aber
ausgerechnet dieses Modell war im Genfer See bis in gemessene 73 Meter
Tiefe versenkt worden, ohne Wassereinbruch zu erleiden.
Erst nach dem Krieg kommen dann mit dem populärer werdenden
Sporttauchen die großen Entwicklungen. Die Fifty Fathom von Blancpain, die
Submariner von Rolex. Beide Uhren mit Drehringen, die noch in beide Richtungen
gängig waren. Eine Ausnahmeuhr wird hier ebenfalls aufgeführt: Die Deep Sea
Special. Sie wurde nur neun Mal gebaut, hatte ein dickes Panzergehäuse und ein
halbkugelförmiges Glas. Die Uhr musste so stabil gebaut sein. Denn sie hing
außen an Jacques Piccards U-Boot, als dieser in den Marianengraben abtauchte,
den tiefsten Punkt der Erde. Dass die Kollegen von Chronos super recherchiert
haben zeigt die Erwähnung einer Uhr, die erst vor kurzem en vogue war: Die GST
Deep One von IWC. Die Schaffhausener Uhrenmanufaktur brachte das Modell erst
1999 auf den Markt, es besticht vor allem durch den eingebauten mechanischen
Tiefenmesser, der nach dem Prinzip den Bourdonrohres arbeitete – und
sogar einen Schleppzeiger hat. Das Ende der Taucheruhrengeschichte bildet
vorläufig die P1070 des Erfurter Herstellers VDB. Ein Brummer von einer
Taucheruhr, die dieser Tage im Marianengraben versenkt werden soll.
Ein Quiz fragt in der Folge des Specials das Wissen des
Lesers ab. Leider sind den Kollegen bei Frage 5 gleich zwei Fehler unterlaufen.
Einer davon ist substantiell: Welche Wassertiefe entspricht 10 Bar Druck? Die
richtige Antwort muss natürlich 90 Meter lauten (9 bar pro 10 Meter Wassersäule
plus 1 bar für den auf dem Wasser ruhenden Luftdruck). Den zweiten, kleinen,
Fehler, sehen Sie, wenn Sie den vorgehenden Satz genau auf Rechtschreibung
prüfen: Die Druckeinheit bar schreibt man klein, die Bar wo man was trinken
geht, groß.
Gefreut hat mich auch, dass man wissenswerte Kleinigkeiten
erfahren hat. Zum Beispiel, wie Luminox diese unglaubliche Leuchtkraft auf
seine Zifferblätter bekommt oder dass auch die deutsche Firma Stowa
hochklassige Taucheruhren mit Tradition herstellt.
Tue Gutes und rede darüber. Dieser altrömische Spruch hat
auch im Chronos-Taucheruhrenheft seine Berechtigung und bildet den Abschluss
des Specials: Die Redaktion stellt Sponsoringprojekte einiger Hersteller vor.
So erfahren wir, dass beispielsweise Hublot die archäologischen Forschungen vor
der Insel Antikythera unterstützt, wo vor einigen Jahren der sagenumwobene
Mechanismus von Antikythera gefunden wurde und der den Sternenverlauf im Modell
simuliert. IWC unterstützt ein Meeresschutzprojekt vor Galapagos und Luminox
den Umweltaktivisten Scott Cassell.
Schließlich und endlich noch eine kleine Kritik am Editorial
des Kollegen Rüdiger Bucher, dem Chronos Chefredakteur. Sicherlich traf er mit
seinen einleitenden Worten das gute Gefühl und die Wertschätzung (kurz: die
Psychologie der Taucheruhr), die Taucheruhren genießen, voll – und
das alles im Zeitalter der Computer. Nur eines hat der Kollege heimlich
verschwiegen. Nämlich dass diese verdammten, klobigen Dinger die Manschetten
von Hemden, Nickies und Fleecepullis ruinieren. Und zwar zuverlässig und in
kürzester Zeit.
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