Doku & Reportage mit Reinhard Mink
Wird
eine Verschlechterung der Wasserqualität frühzeitig erkannt, lassen
sich Maßnahmen rechtzeitig implementieren und gefährdete Stauseen länger
erhalten. Umweltmodelle unterstützen dabei, Stoffeintrag und
Wasserqualität zu beobachten und zu beurteilen. Bisherige Modelle
erfordern jedoch sehr große Datenmengen und einen hohen messtechnischen
Aufwand; das macht sie ungeeignet für die Anwendung in datenschwachen
Regionen. Das interdisziplinäre Projekt „Multidisziplinäre
Datenerfassung als Schlüssel für ein global anwendbares
Wasserressourcenmanagement“ (MuDak-WRM) hat in dreieinhalbjähriger
Forschung in Brasilien und Deutschland Monitoringansätze, Modelle und
Messtechniken erarbeitet, die möglichst einfach und allgemein verfügbar
sind. Sowohl für die Berechnung der Wasserbilanz – der Differenz
zwischen Wasseraufnahme und -abgabe – als auch für die Berechnung der
Stoffeinträge aus dem Einzugsgebiet wurden Satellitendaten genutzt. „Wir
haben gesehen, dass sich auch mit weniger Daten aussagekräftige
Ergebnisse erreichen lassen“, sagt Dr. Stephan Hilgert, Geoökologe am
Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) des KIT und
Koordinator des Projekts.
Automatisierung der Datenverarbeitung
In
das bisherige Stoffeintragsmodell fließt eine Vielzahl
unterschiedlicher Informationen ein. Daher hat sich das Projektteam auf
die beiden wichtigsten Eintragspfade konzentriert: die Stoffeinträge
durch Erosion der Landoberfläche und die Abwassereinträge aus dem
urbanen Umfeld im Zuflussgebiet von Stauseen. Exemplarisch untersucht
wurden die Große Dhünntalsperre in Nordrhein-Westfalen und der
Passaúna-Stausee im brasilianischen Bundesstaat Paraná.
„Ein
wesentlicher Punkt war die Automatisierung der Verarbeitung von
Satellitendaten, die zum Berechnen der Wasserbilanz und der
Stoffeinträge etwa von Phosphor und Feststoffen genutzt werden“,
erläutert Hilgert. Die erfolgreiche Automatisierung vereinfache die
Anwendung der Modelle deutlich und erhöhe ihre Genauigkeit und
Übertragbarkeit auf andere Einzugsgebiete. Das Konsortium aus
Wissenschaft, kommunalen Verbänden und Industrieunternehmen hat Sensoren
und Plattformen zur kontinuierlichen Erfassung der Wasserqualität
entwickelt sowie eine Onlineplattform (Sensor Web) erarbeitet, mit der
sich die Daten nutzerfreundlich erfassen, speichern und auswerten
lassen.
Wirkung von Aufforstung berechnet
Die
Projektergebnisse belegen unter anderem, dass eine Aufforstung von nur
drei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im Einzugsgebiet
des Passaúna-Stausees zu einer Reduzierung der Sedimenteinträge von bis
zu 26 Prozent führen kann. „Das Verlanden von Stauseen, durch das sich
ihr Stauvolumen verringert, ist ein fundamentales Problem der kommenden
Jahrzehnte, denn die Menschheit verliert aktuell mehr Stauvolumen, als
hinzukommt“, sagt Hilgert.
Weitere
Untersuchungen haben gezeigt, dass im Sediment gebundene Nährstoffe
durch den Klimawandel in tieferen Schichten von Stauseen künftig die
Wasserqualität verschlechtern können. „In den Subtropen befindet sich
viel Phosphor bindendes Eisen im Boden und damit auch im
Stausee-Sediment. Eisen bindet Phosphor aber nur, solange ausreichend
Sauerstoff im Wasser zur Verfügung steht. Fehlt bei steigender
Wassertemperatur längere Zeit Sauerstoff, kann sich der Phosphor lösen,
was zur plötzlich massenhaften Vermehrung von Cyanobakterien, der
Algenblüte, führt, und das Gewässer kippt“, erläutert der Geoökologe. Um
diese Gefahr rechtzeitig zu erkennen, müssten Stauseebetreiber
zusätzlich zur Auswertung von Satellitenbildern den Gewässerzustand,
aber auch die Sedimentzusammensetzung seeintern überwachen, so Hilgert.
Das Projekt MuDak-WRM
Das
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das 2017
begonnene und 2021 beendete Projekt MuDak-WRM mit 2,6 Millionen Euro in
der Fördermaßnahme GROW (Globale Ressource Wasser) im Zuge des Programms
„FONA – Forschung für Nachhaltigkeit“ gefördert. Am KIT waren die
beiden Fachbereiche des IWG Siedlungswasserwirtschaft und
Wassergütewirtschaft sowie Wasserwirtschaft und Kulturtechnik sowie das
Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) eingebunden. Zum
Forschungskonsortium gehörten auf deutscher Seite die Universität
Koblenz-Landau, der Wupperverband sowie die Unternehmen 52°North –
Initiative for Geospatial Open Source Software GmbH, EFTAS
Fernerkundungs-Technologietransfer GmbH, Hydron GmbH und TRIOS Mess- und
Datentechnik GmbH. Auf brasilianischer Seite waren die Staatliche
Universität von Paraná (UFPR) und die Universität Positivo sowie der
Wasserversorger SANEPAR aktiv beteiligt. Assoziierte Partner in
Brasilien waren das Instituto Paranaense de Assistência Técnica e
Extensão rural (Paranaensisches Institut für ländliche Entwicklung,
EMATER) und das Instituto das Aguas do Paraná (Wasserinstitut des
Bundesstaates Paraná). (afr)
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