(Text: Heinz Käsinger, Foto: Richard Varcoe/Caladan Oceanic LLC,
Wikipedia Commons, die „Limiting Factor“ beim zu Wasser lassen in der
Cumberland East Bay )
Viertausend Menschen haben bereits den Mount Everest
erklommen, Zehntausende haben die Antarktis besucht, ja selbst auf dem Mond
sind ein Dutzend Besucher durch den jungfräulichen Staub getrampelt. Und Elon
Musk plant, Weltraumtouristen ins Orbit zu schießen.
Jetzt bietet ein Reiseunternehmen ein weniger besuchtes Ziel
für den Touristen an, der sich danach sehnt, abseits der ausgetretenen Pfade zu
wandern. Für 750 000 Dollar wird eine ausgewählte Gruppe von Urlaubern in
diesem Sommer in den Marianengraben gebracht. Dieser Tiefseegraben, auch
Challenger Deep genannt, markiert mit rund 11 000 Metern die tiefste
Stelle unserer Ozeane. Man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Stelle der
Erde vom Massentourismus unberührt ist. Nur sieben Menschen waren jemals dort.
„Dies ist das exklusivste Reiseziel der Welt“, sagte Rob
McCallum vom Reiseunternehmen Eyos Expeditions, das bereits Touren zum Wrack
der Titanic angeboten hat. Die Pauschalreise zum tiefsten Punkt der Erde – weit
niedriger als der Everest hoch ist – wäre der erste Abstieg von
Ausflugstouristen in die so genannte Hades-Zone (eng. und frz. "hadal-zone“, vom griechischen Wort Hades, Unterwelt).
Es stehen drei Plätze zur Verfügung, die das Unternehmen an die ersten drei
Personen verkauft, die den Fahrpreis zusammenbringen.
Möchtegern-Challenger-Deep-Besucher müssen eine achttägige
Reise einplanen, die mit einem Flug zur US-Insel Guam im Westpazifik beginnt.
Obwohl die Coronavirus-Pandemie die Reise verzögern könnte, wird erwartet, dass
sie wie geplant im Juni 2020 beginnt.
Von Guam aus werden die Tiefseetouristen auf einem
Forschungsschiff, der DSSV „Pressure Drop“, in See stechen. Reisende können
einen Partner oder auch eine Katze mit auf das Schiff nehmen, aber es ist nur
Platz für jeweils einen Touristen an Bord der „Limiting Factor“, einem
Zwei-Mann-Tauchboot, das im vergangenen Jahr von einer Firma in Florida gebaut
wurde. Dieses U-Boot unternimmt dann die etwa elf Kilometer lange, vertikale
Reise in den Marianengraben.
Der Pilot wird Victor Vescovo sein, der im vergangenen Jahr
zwei Mal in den Marianengraben gefahren ist (s. „Plastiktüte auf dem Grund des
Marianengrabens“, http://www.atlantis-magazin.de/content/view/1269/205/). Vescovo,
54, hat den Everest bestiegen und ist mit Skiern zum Nord- und Südpol gefahren,
was ihn zu einem sehr soliden Begleiter bei einem Abendessen macht. Langweilig
wird es dabei nicht werden, denn der Mann glänzt durch lebhafte Anekdoten, die
er dabei gerne zum besten gibt. So dürfte auch die rund 14-stündige Reise in
einer engen Titankugel nicht langweilig werden.
Das U-Boot soll zwei bequeme Sitze für Herrn Vescovo und
seinen Passagier sowie eine 90 mm dicke Schale haben, so dass die Fahrer keine
Druckveränderungen erfahren, während ein Styroporbecher in einem Netzbeutel an
der Außenseite des U-Bootes zu einem kleinen weißen Ziegelstein zerdrückt wird.
Es gibt drei Fenster und hochauflösende Kameras, die einen Live-Stream der
Umgebung des U-Bootes auf die Bildschirme im Innern übertragen.
Die Touristen, die als „Missionsspezialisten“ bezeichnet
werden, werden vier Stunden auf dem Meeresboden verbringen, wo sie laut Eyos
Expeditions ihre Umgebung erkunden und eventuell filmen dürfen. Auf dem flachen
Meeresboden werden sie hoffentlich einen Amphipoden (ein garnelenähnliches
Krebstier), einen Löffelwurm oder eine neue Art eines rosa Schneckenfisches entdecken.
Den hatte Vescovo auf einer früheren Reise erspäht. Die Touristen sollten allerdings
keine unberührte Meereswildnis erwarten: Neben dem rosa Schneckenfisch sah
Vescovo leider auch Plastiktüten und Verpackungen von Schokolade in jener Tiefe.
Die Challenger Deep ist nach dem britischen Schiff „HMS
Challenger“ aus dem 19. Jahrhundert benannt, das die tiefste Ozeanstelle damals
entdeckt hat. Der erste erfolgreiche Tauchgang in den Marianengraben wurde 1960
von Lieutenant Don Walsh von der US-Marine und Jacques Piccard, einem Schweizer
Wissenschaftler, durchgeführt. Sie tauchten damals bis zu einer Tiefe von 10 911
Metern (35 800 Fuß) ab. Im Jahr 2012 unternahm der Filmemacher James
Cameron eine Reise mit einem Tauchboot namens „Deepsea Challenger“ in eine
ähnliche Tiefe.
Im vergangenen Frühjahr machte dann die „Limiting Factor“
vier Tauchgänge zur Challenger Deep, von denen einer 35 853 Fuß erreicht
haben soll, also 53 Fuß (16 Meter) mehr als damals Piccard. Diese Tiefe wurde
zwar als neuer Rekord ausgerufen, aber die Messung hatte eine Fehlermarge von
34 Fuß. Cameron bestritt in der Folge, dass Vescovo tiefer getaucht sei als er.
„Sein Messgerät ist vielleicht vorgegangen. Jedenfalls kann er nicht sagen,
dass er tiefer getaucht ist als ich.'
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