.jpg) (Foto: Hans Hillewaert / CC BY-SA 4.0 / Wikipedia
Commons, Text: Heinz Käsinger; bei der Verankerung von Windrädern im Wasser entstehen für
Meereslebewesen oft tödliche Lärmemissionen )
„Sie schreien einander an und verbrauchen dabei viel
Energie. Wie wir in einem Nachtclub“, erklärt Mark Jessopp vom University
College Cork. Dr. Jessopp war vor kurzem an einem Forschungsprojekt beteiligt,
das die Auswirkungen von seismischen Meeresuntersuchungen auf Tiere wie Wale
und Delfine untersuchte.
Er und seine Kollegen stellten einen „enormen Rückgang“ aller
Arten von Meeressäugern fest, als die Arbeiten zu einem Windpark begannen. Seismische
Untersuchungen werden von einer Reihe von Organisationen, einschließlich Öl-
und Gasunternehmen, durchgeführt, um den Meeresboden zu kartieren. Und vor
Baubeginn solcher Projekte, werden obligatorische Kartographierungen
vorgenommen.
Schockwellen, die aus einer Luftkanone – wie ein sehr
starker Lautsprecher – abgefeuert werden, werden in Richtung Meeresboden katapultiert.
Die Wellen prallen am Boden ab, werden zurück geworfen, und an der Oberfläche wieder eingefangen.
Das zurückkehrende Signal verrät, ob beispielsweise Öl in den Felsen unter der
Oberfläche eingeschlossen ist. Der Prozess erzeugt einen gewaltigen Lärm. „Es ist wie eine
Explosion“, sagt Lindy Weilgart von der Dalhousie-Universität in Neuschottland.
Sie sagt, es gibt jetzt genügend Beweise dafür, dass viele Meerestiere durch
den Lärm negativ beeinflusst werden.
Die Auswirkungen sind nicht nur für Säugetiere wie Wale und
Delfine spürbar, fügt sie hinzu. Auch Fische und wirbellose Tiere wie Krebse und
sogar Quallen ändern ihr Verhalten, wenn der Lärmpegel steigt. So können diese
beispielsweise die Nahrungsaufnahme verschieben oder erkennen gefährliche
Raubtiere nicht, die ihnen dann zum Verhängnis werden. Und doch gibt es eine Technologie, die weitaus weniger
schädlich sein könnte. Sie heißt marine Vibroseis und ist eine energiearme
Alternative zu Luftkanonen. Anstelle von Sprengladungen verwendet Vibroseis
kleinere Vibrationen, um Wellen auf den Meeresboden zu übertragen. Das System
gibt insgesamt eine ähnliche Energiemenge ab, verteilt diese aber über einen
längeren Zeitraum, so dass die Untersuchung weniger schockend wirkt. Sogar Stephen Chelminski, der in den späten 1950er Jahren
die seismische Luftkanone erfand, ist aufgrund der wahrgenommenen
Umweltvorteile zu einem Befürworter der Vibroseis geworden. Dr. Weilgart sagt, es gibt zwar viele Bemühungen, diese
leisere Technologie zu kommerzialisieren, aber die Wissenschaftlerin ist enttäuscht
davon, wie langsam das vonstatten geht. „Der Einsatz schreitet nur im
Schneckentempo voran“, klagt sie.
Drei der weltweit größten Ölkonzerne – Shell, Total und
ExxonMobil – haben Jahre damit verbracht, ein Vibroseisgerät für die
Schifffahrt zu entwickeln. Andrew Feltham, ein Geophysiker bei Total, der an
dem Projekt arbeitet, sagt, dass das System nachweislich wie beabsichtigt
funktioniert, aber noch einige weitere Tests benötigt, bevor es in der
Feldarbeit eingesetzt werden kann. Er sagt, ein Vorteil des Prototyps sei, dass
er über einen großen Frequenzbereich kein Rauschen erzeugt: „Wir senden nur
Energie innerhalb des Frequenzbereichs aus, der für die jeweilige Aufgabe von
Interesse ist“, erklärt er. Dadurch wird die Anzahl der Meerestiere, die die
von dem Gerät erzeugten Geräusche hören würden, reduziert, was die
Umweltbelastung weiter verringert.
Die norwegische Firma Petroleum Geo-Services (PGS), die Öl-
und Gasunternehmen bei der Suche nach Offshore-Reserven an fossilen
Brennstoffen unterstützt, hat ebenfalls an einem Vibroseis-System gearbeitet.
Es hat ein anderes, kompakteres Design, das einen Stapel von Platten zur
Erzeugung von Vibrationen verwendet. Dies ermöglicht die Erzeugung eines
starken seismischen Signals, verhindert aber, dass das Gerät sich selbst
auseinander schüttelt. „Die Verwendung gestapelter Platten ist eine geniale Lösung“,
argumentiert Bard Stenberg, ein Sprecher von PGS. Der Prototyp hat einen 1000-Stunden-Test in einem Wassertank
und in einer Tiefe von 60 m in einem Hafen überstanden. Allerdings muss er noch
auf See getestet werden. Nathan Merchant ist Bioakustiker am britischen Zentrum
für Umweltfischerei und Aquakulturwissenschaft (Cefas). Er sagt, dass die
Vibroseis eigentlich eine bessere Technologie für Organisationen wäre, die den
Meeresboden vermessen wollen, weil sie feiner abgestimmt werden kann. Und doch
hat sich das kommerzielle Interesse am System in Grenzen gehalten.
„Dies ist einer der Bereiche, in denen wir einen kleinen
Schub von Seiten der Politik und den Regulierungsbehörden brauchen, um einen
Markt für diese Art von Technologie zu schaffen“, sagt Dr. Merchant. Er untersucht
die Lärmpegel in den Meeren um Großbritannien. Er und sein Team haben vor
kurzem eine detaillierte Karte erstellt, die zeigt, wo die Kakophonie am
größten ist. Es ist zwar schwierig, genau zu bestätigen, wie sich die Lärmpegel
in den letzten Jahrzehnten verändert haben, aber er sagt, dass sie
wahrscheinlich insgesamt gestiegen sind. Er weist darauf hin, dass es noch andere bedeutende Quellen
der Lärmbelastung auf See gibt. Dazu gehört der Lärm der Schifffahrt, wo
beispielsweise Propeller, die das Wasser durchschneiden, ein mächtiges
Rumpelgeräusch erzeugen, das Hunderte oder sogar Tausende von Kilometern weit
tönt. Dann gibt es Offshore-Windparks, die auf Pfahlrammen
angewiesen sind, die riesige Säulen in den Meeresboden schlagen, um die
Basisplattform für die Turbinen zu schaffen. Die Ingenieure bei solchen
Projekten müssen gelegentlich auch nicht explodierte Kampfmittel, die
beispielsweise aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgelassen wurden, beseitigen. Die
Detonation einer Bombe unter Wasser erzeugt viel Lärm, aber der Knall kann
durch eine Vorrichtung gemindert werden, die einen Vorhang aus Blasen um die
Bombe herum erzeugt. Zu den Windparks in Großbritannien, die für diesen Zweck
eine Lizenz zur Verwendung von Blasenvorhängen erhalten haben, gehören Hornsea
One und Two vor der Nordostküste des Inselstaates. Der derzeit im Bau
befindliche Gesamtkomplex Hornsea wird schließlich die größte
Offshore-Windkraftanlage der Welt bilden. Meeresbiologen hoffen weiterhin auf Technologien, die
menschliche Aktivitäten in den Ozeanen ruhiger machen. Dr. Jessopp räumt ein,
dass seismische Luftkanonen billig sind und nachweislich funktionieren. Da die
Vibroseis im Meer immer noch nicht in kommerziellem Maßstab verfügbar ist,
sehen die Unternehmen möglicherweise keinen Grund, ihre Vorgehensweise zu
ändern. „In Ermangelung einer wirklich brauchbaren Alternative haben wir
einfach weitergemacht. Es ist eine Art business as usual“, sagt Dr. Jessopp. Die
Meere werden also noch eine Zeit lang laut sein, und die Wale müssen weiterhin
schreien, um gehört zu werden.
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