(Text: Heinz Käsinger, Foto: privat / Wikipedia Commonsm Laurent Ballesta)
Eine knapp drei Millionen teure Tiefseeexpedition im
Mittelmeer soll neue Erkenntnisse über zwei in den Weltkriegen gesunkene
Schiffe bringen und den Verschmutzungsgrad des Meeres in jenen Tiefen feststellen.
Expeditionsleiter Laurent Ballesta hat jedoch auch ein persönliches Ziel: Die
Menschen zum träumen zu bringen.
In der Dämmerungszone, 120 Meter unter dem Meer, ist der
Druck 13-mal größer als an der Oberfläche, und nur ein Prozent des Sonnenlichts
kommt durch. Laurent Ballesta, ein bekannter französischer Taucher, war
in den letzten Jahrzehnten oft in jenen Tiefen unterwegs – aber immer
nur für wenige Minuten. Sonst wären die Dekompressionspausen einfach zu lang. Im nächsten Monat wird er eine Mission unternehmen, von der
er sagt, sie werde es ihm ermöglichen, einen Monat lang täglich 120 Meter unter
der Oberfläche des Mittelmeers zu verbringen. In einer winzigen Kapsel wird er
das Meer zwischen Marseille und Monaco erkunden. Ballesta (45) wird Fischarten fotografieren, die noch nie
zuvor in ihrer natürlichen Umgebung fotografiert wurden, bisher unzugängliche
Schiffswracks erforschen und neue Daten über die Verschmutzung durch Plastik
und Chemikalien vorlegen. Er und Antonin Guilbert, ein Meeresbiologe, Thibault Rauby,
ein Tauchlehrer, und Yannick Gentil, ein Kameramann, werden eine Variation der
in der Ölindustrie verwendeten Sättigungstauchtechniken anwenden. Dabei wird in
einem unter Druck stehenden Habitat an der Oberfläche gelebt und von dort aus
Tauchgänge in einer Tauchglocke unternommen. Dadurch umgeht man Dekompressionsunfälle,
die durch zu schnelles Auftauchen verursacht werden und sogar tödlich sein können.
Wenn die Taucher der Ölindustrie ihre Glocke verlassen,
bleiben sie mit einer Rettungsleine an ihr befestigt. Ballesta und sein Team
werden aber stattdessen Rebreather-Tauchgeräte verwenden. Zur Orientierung der
Taucher wird ein auf akustischen Signalen basierendes System eingesetzt. „Es
wird ein gewisses Maß an Gefahr bestehen, aber wir werden uns völlig frei
bewegen können“, sagte er. Die Temperatur in 120 m Tiefe beträgt 12 °C, aufgrund
des Drucks entspricht der Kalorienverlust, die die Wassertemperatur im
menschlichen Körper verursacht, dem in der Antarktis – über Wasser. Die
Taucher sind deshalb gezwungen, mehrere Schichten einer speziellen
Thermalkleidung zu tragen. Sie atmen ein Mischgas aus hauptsächlich Helium mit
nur zwei Prozent Sauerstoffanteil. Wenn sie ihre zweimal täglichen Erkundungen beendet haben,
steigen sie wieder in die Glocke und kehren zu ihrer Station an der Oberfläche
zurück, wo der Druck demjenigen in 120 m Höhe entspricht.
(Foto: Wikipedia Commons, die „Protée“ war ein französisches U-Boot der
Redoutable-Klasse. Ballesta wird es im Zuge seiner Expedition besuchen )
Ballesta verbringt normalerweise fünf Stunden damit, nach
höchstens 30 Minuten auf 120m zur Oberfläche zurückzukehren. Jetzt plant er
zwei Abstiege täglich von jeweils vier Stunden Dauer, die vier Wochen lang
durchgeführt werden und zwischen denen er schnell zur schwimmenden Basisstation
zurückkehrt, um dort zu schlafen und zu essen. „Niemals wird jemand so viel Zeit in so großer Tiefe
verbracht haben“, sagte er. „Mein Ziel ist es zu zeigen, dass das Mittelmeer
immer noch sehr schön ist. Eine Art verlorenes Paradies mit geheimen Oasen“,
fügte er hinzu. Und: „Es gibt immer noch unbekannte Tiere, die es zu
beschreiben und zum ersten Mal im Bild festzuhalten gilt.“ Auf ihrer Reise zwischen Marseille und Monaco werden die Männer
unter anderem auch das Wrack der „Natal“, ein französisches Kreuzfahrtschiff,
das 1917 bei der Kollision mit einem französischen Frachtschiff sank , besuchen.
104 Menschen fanden damals den Tod. Außerdem steht das Wrack der „Protée“ auf
dem Programm, ein französisches U-Boot, das 1943 nach einem Minenangriff
verloren ging. Ballesta ist schon auf Plastikmüll in einer solchen Tiefe
gestoßen und erwartet, während seiner Erkundung noch mehr zu finden. Öffentliche
Stellen, darunter die französische Wasser- und Schifffahrtsbehörde sowie ein
regionaler Gemeindeverband (die ein Drittel der Kosten von 2,7 Millionen Euro
finanzieren) haben den Taucher gebeten, den Verschmutzungsgrad zu erfassen. „Ich
werde die Arbeit machen, keine Frage. Aber das ist nicht das, was mich am
meisten interessiert“, Ballesta. „Ich möchte die Menschen mit meinen
Erkenntnissen und Bildern zum Träumen bringen.“
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