(Text: Heinz Käsinger, Foto: David
Monniaux/Wikipedia Commons, Portrait einer Grünen Meeresschildkröte)
Gleich zwei Gedenktage im Jahr sollen die Menschheit an den
Natur- und Artenschutz erinnern: Am 3. März ist der Tag des Artenschutzes, am
22. Mai der Tag der Biodiversität. „Scheinheilige Augenwischerei!“, sagen die
einen, „notwendige Mahnung“, die anderen.
Sicherlich verschwinden unbemerkt jeden Tag Dutzende von
Arten von der biologischen Landkarte – vor allem unspektakuläre
Kleinlebewesen wie Insekten oder Krebstierchen. – Derzeit stehen rund
26 000 Arten auf der Roten Liste der Welt-Naturschutzunion IUCN. Aber bei
einigen Arten gibt es auch nicht für möglich gehaltene Erfolge zu vermelden.
Leider aber geraten meistens nur große, attraktive Tiere in den Fokus der
Naturschützer und dienen dann als PR-Erfolg. So hat man sich Jahrzehnte lang nicht
um den gemeinen Hausspatz gekümmert, um vor drei Jahren dann erstaunt
festzustellen, dass seine Populationen in Europa um zwei Drittel zurückgegangen
waren. Ähnliches war mit den Insekten geschehen. Erst die Ergebnisse einer
Studie Krefelder Wissenschaftler von 2013 brachte ans Licht, dass die Biomasse
der Insekten seit 1980 um fast 80 Prozent zurück gegangen war. Was dann
wiederum erklärte, warum sich auch die Vogelbestände im freien Fall befinden.
Werden die Gründe untersucht, dann kommt man fast immer auf
zwei Hauptnenner: Schwindender Lebensraum (Sümpfe, Wälder, Steppen) durch sich
ausbreitende Landwirtschaft und der ungehemmte Einsatz von schädlicher Umweltchemie.
Vom nur endemisch vorkommenden Mauritiusfalken zum Beispiel gab es 1974 nur
noch vier Exemplare. Ein Brutpaar und zwei einzelne Vögel. Der Waldbestand auf Mauritius
war seit der Besiedelung der Insel durch den Menschen auf drei Prozent der
ursprünglichen Fläche geschrumpft. Dank intensiver Brutpflege der verbliebenen
Vögel leben heute wieder um die 650 Falken auf Mauritius, woraus sich etwa 300
Vögel zu 150 Brutpaaren zusammengetan haben.
(Bild: Mauritiusfalke, Zeichnung aus dem Jahr 1868 von John Gerrard
Keuleman)
Ähnlich schlimm stand es um die Grüne Meeresschildkröte.
Schon in den 1950er Jahren hatten Umweltschützer vor dem Verschwinden des
Reptils gewarnt, trotzdem ging der Raubbau an den Tieren weiter. Nicht zuletzt
deshalb, weil sie die Hâute Cuisine als delikate Suppenbeilage ausgemacht
hatte. Ende der 1970er schwammen nur noch vereinzelte Tiere im Ozean, 1980
wurde das Tier unter strengen Schutz gestellt. Heute haben sich die
Populationen erholt, trotzdem droht langfristig das Aus für
diese – und auch andere – Reptilienart(en). Der Grund ist
die Entstehung des Geschlechts: Erwärmt sich der Sand, in dem die Schildkröte
(oder der Alligator oder die Echse) ihre Eier gelegt hat auf bis zu 28 °C,
entstehen männliche Tiere. Ab etwa 32 °C warmem Sand schlüpfen Weibchen. Da die
Klimaerwärmung schon weit fortgeschritten ist, hat man beispielsweise im Jahr
2018 bei Kontrollen an einem Schlüpfstrand in Australien ein Männchen zu 116 Weibchen
gezählt.
Der Mensch dringt auch immer weiter nach Norden in die
kalten Gebiete vor. Vom Löffelstrandläufer kennt man nur einen Platz, wo er
nistet und das ist ein Strand im Norden Russlands. Öl- und Gasvorkommen dort
haben seinen Lebensraum – und damit seine Anzahl – stark
schrumpfen lassen. Heute siedelt man Brutpaare auch in anderen Regionen an und
erzielt damit mäßige Erfolge, weil die Vögel sehr wählerisch mit ihrem
Lebensraum sind. Die gezielte Eientnahme und die gefahrlose Aufzucht der
Jungtiere durch den Menschen haben die Bestände aber wieder um 50 Brutpaare
steigen lassen.
Trotz aller Erfolge auf der einen Seite: Solange die weniger
beachteten Lebewesen, auch und vor allem Pflanzen, in Puncto Schutzmaßnahmen
vernachlässigt werden, wird die Abwärtsspirale anhalten. Und Experten fragen
sich, welches Spiel die Politik spielt. Seit 1990 sind die vom Staat bezahlten
und geförderten Forschungsprojekte drastisch zurückgegangen. Die hier erwähnte
Insektenstudie haben die Krefelder Wissenschaftler selber finanziert bzw.
ehrenamtlich erarbeitet. Fast wäre man geneigt zu unterstellen, dass die
Politik an belastbarem Datenmaterial überhaupt kein Interesse hat. Dabei ist
eines sicher: Ein Zurück wird es nicht mehr geben. Ist eine Art verschwunden,
ist sie dies unwiederbringlich. Welche Konsequenzen das auf den gesamten
Planeten hat, ist unbekannt.
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